29.04.2015, 17:01 Uhr

Überall Geschirr, halb aufgewaschen, manches noch dreckig. Teller stapeln sich, keiner sieht aus wie der andere, jeder Teller ein Einzelstück. Besteck liegt herum. Wir hören zu. Hören zu, wie sie von ihren Leiden erzählt, dass sie letztens erst umgekippt ist und nicht mehr aufstehen konnte. Ihr Pullover ist kaputt, die Schürze dreckig. Die Haare irgendwie zusammengebunden, festgesteckt.
"Ach, das ist immer so schwierig den Geschirrspüler auszuräumen. Ich kann nicht mehr richtig zupacken und spüre meine Hände kaum."
"Dann machen wir das.", beschließt Marie, legt den Arm um mich, weil mir Tränen in die Augen steigen.
"Kommen die Teller hier hin?", fragt K.
"Nein, nein. Da", sagt sie und zeigt auf einen anderen Schrank.
Nachdem der Geschirrspüler gelehrt ist, will sie uns Bilder von ihren Enkeln zeigen, öffnet also die Tür. Wir stehen in ihrem kleinen Schlafzimmer. Ein Bett, ein alter Fernseher und eine Eckbank. Überall Bilder. Bilder über Bilder. Weiter zum nächsten Zimmer. Der Raum ist viel viel größer, auch hier überall Bilder. Auf der langen Tafel liegen verstreut Briefe, Rechnungen, Mahnungen. In einer Schublade kramt sie nach Fotos ihrer 13 Urenkel. Wenn sie von ihnen berichtet, funkeln ihre Augen, wie die Sterne in der Nacht. Ein wenig glasig sind sie, doch ihr Lachen ist schön. Wunderschön. Schließlich erklärt sie uns, wer ihre Kinder sind und welche Kinder sie jeweils haben.
91 Jahre lang hat sie durch ihre wunderschönen Augen geblickt und 91 Jahre hat sie jeden mit diesem wunderbaren Lachen angestrahlt.

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